Traumhaftes Oktoberwetter war für das Wochenende angesagt und beide waren wir glücklicherweise terminfrei. Freitagabend wurden das Kletterzeug und die warmen Daunenschlafsäcke in Josi geladen und es ging über den Brenner in das uns bekannte Gebiet des Sellajochs. Der Mond strahlte bereits hell am Himmel als wir dort ankamen, so blieb uns nur noch der Weg ins Bett, wollten wir am nächsten Tag ja ausgeschlafen und fit für die Vinatzer-Verschneidung am Piz Ciavazes (2828m) sein. Der Wecker klingelte um 07:30 Uhr und wir kamen nur schwer aus unseren warmen Schlafsäcken. Mit der aufgehenden Sonne ging es dann aber vorbei an Lokomotive und erstem Sellaturm, in Richtung Gamsband des Piz Ciavazes.

Ausstieg der 3. Seillänge
Nach leichter Kraxelei empor, stiegen wir rechts neben der markanten Grotte in die Tour ein. Der Fels ist dort kompakt und die Kletterei in diesem Ambiente sowieso immer ein Erlebnis. Die ersten Seillängen gehen gut von der Hand, die 5. Länge fordert dann das erste Mal ein wenig, vor allem für den Nachsteiger mit Rucksack ist der enge Kamin nicht ganz so elegant zu bewältigen. Dennoch, schöne Kletterei mit sehr abwechslungsreichen Bewegungen. Die 6. Seillänge, die auch die Schlüssellänge darstellt, erfordert beherztes „Gas geben“, um nicht zu müde in dem überhängenden Riss zu werden. Aus unserer Sicht hat es keinen Sinn gemacht, nach 6m direkt wieder Stand zu machen, weshalb wir die 6. und 7. Seillänge zusammenhängten, was sehr gut funktionierte. Der Ausstieg der letzten Seillänge ist leider im wahrsten Sinne des Wortes ein Schutthaufen, deshalb achtgeben bzgl. Steinschlag und wenn möglich eher verbal, als über Seilzeichen kommunizieren!

Der schottrige Ausstieg (wer findet Felix?)
Das Abseilen und weitere Absteigen über die Westwand geht dann problemlos und ist durch den leichten Überhang auch nochmal etwas luftig.
Wieder bei Josi angekommen, wuschen wir uns, kochten uns etwas und brachen das bereits gestartete Schachspiel auf Grund akuter Müdigkeit ab und verschwanden im Bett. Für den nächsten Tag stand bereits die Fichtl-Führe auf dem Programm. Da diese ein wenig kürzer ist und wir den Schlaf brauchten, standen wir erst ein wenig später auf. Nach dem Frühstück ging es dann wieder an der Lokomotive vorbei, dieses Mal aber in die Verschneidung des ersten Sellaturms (2696m). Wir stiegen den Vorbau auf, genau dort wo auch der Einstieg der Pilastrini-Führe ist (einzelner Bohrhaken), blieben nach dem ersten Aufschwung aber auf der linken Seite in dem markanten Riss. Es erwartete uns etwas andere Kletterei als noch am Tag davor und wieder waren wir die gefühlt einzige Seilschaft an diesem Tag, die im Schatten umherkletterte.

Schöne Risskletterei
Kalt war uns trotzdem nicht, war es doch, wie schon am Tag davor, sehr warm. Immer wieder spannend auch wie fordernd vermeintlich leichte Touren sein können, wenn die Kletterei einem nicht so geläufig ist. Besonders die vorletzte Seillänge, in der man erst zwischen Blöcken umher und dann in einen Kamin klettert, war zumindest für uns kein Spaziergang. Nichtsdestotrotz war es eine wahnsinnige Erfahrung und die Tour verdient auf jeden Fall das Prädikat „empfehlenswert“. Wir genossen nach dem Abstieg und der Rückkehr zum Auto noch die Sonne und machten uns gemütlich auf den Heimweg, inkl. kurzen Stau vor der Mautstelle Sterzing. Das war aber halb so schlimm, wenn das Wochenende doch so viele Eindrücke hinterlassen hat, an denen man sich erfreuen kann.